Freitag, 20. Juli 2012

The Dark Knight Rises: "Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen."

An Krieg und Tod kann man sich gewöhnen, wenn es nur oft genug geschieht. Seit 2001 reißen Krieg, Bürgerkrieg und Terrorismusnachrichten nicht mehr ab und fast keinen mehr vom Hocker. Selbst die ehemals fundamental-pazifistischen Grünen stimmten schließlich Kriegseinsätzen der Bundeswehr, wie in Afghanistan, zu. Der Krieg als Fortsetzung der Politik erlebt sein erneutes Déjà-vu.

Letzte Nacht kam es zu einem Massaker in Aurora bei Denver, USA: „Mindestens 14 Tote und 50 Verletzte, das ist die vorläufige Bilanz einer Schießerei in einem Kino in der Nähe von Denver, USA. Bei einer Vorstellung des neuen Batman-Films "The Dark Knight Rises" fielen um kurz nach Mitternacht dutzende Schüsse. ...Der Festgenommene sei etwa 20 Jahre alt, so der Sender 9News. Frank Fania von der Polizei in Aurora sagte dem Sender CNN, das Motiv des Schützen sei noch unklar. ...Der Film "The Dark Knight Rises" lief in der Nacht zum Freitag in den USA an. In Deutschland startet er kommende Woche.“ Die Denverpost schreibt: „James Wilburn was sitting in the second row of Theater 9 after midnight, when the emergency door to his right opened and a man entered. "He was dressed in black," Wilburn said, "Wearing a flack jacket and a gas mask." The man was carrying a shotgun and had a rifle strapped to his back, Wilburn said. Then the man dropped a canister to the floor and a noxious gas spewed out. He raised the shotgun and repeatedly fired toward the back of the theater...“ Der Täter ist inzwischen bekannt: „...A total of about 50 people were shot before police arrested a 24-year-old man. NBC identified the man as James Holmes."

Nun, auch Massaker von Durchgedrehten sind gerade in den mit privaten Waffen überladenen USA keine besondere Nachricht mehr, aber sie passen ins Bild der Zeit. Was bringt einen 24-jährigen, mit Gasmaske im Gesicht und Knarren in den Armen, dazu in ein Kino zu gehen und willkürlich Menschen zu erschießen? Schließlich waren es zufällige Besucher, die „Wahl“ seiner Opfer war eigentlich keine, sondern willkürlich und Ausdruck von Wut und Verachtung. Gegen wen oder was? Die Frage ist so abgedroschen, so leicht zu beantworten und die Antwort so wenig opportunistisch, dass man es in aller Regel bei der rhetorischen Frage alleine im Raum belässt. Für die Antwort reicht es auch aus, sich Ausschnitte aus dem Film anzuschauen, oder auch nur aus Filmen des gleichen Genres. Hollywood Filme sind immer mehr oder weniger genaue, wenn auch in gewaltiger und gewalttätiger Bildkunst verborgene, Abbilder ihrer Entstehungs-Zeit. Was den Mörder trieb ist der gesellschaftlichen Situation geschuldet, und das er eine (Gas-)Maske trug, erklärt sich schon beim Blick auf seine Vorbilder anhand der offiziellen Szenenfotos des Filmverlags. Und da war es nicht Batman, die gute Fledermaus die sein Vorbild wurde, sondern der und das Böse im Film. Denn von den „Guten“ in der US-Gesellschaft, von den Romneys aber auch Obamas, hatte der Massenmörder die verdeckte Schnauze längst gestrichen voll.

Im typisch republikanischem Zynsimus erließ sich Mitt Romney, Möchtegernepräsident: „In his statement, Romney said: "Ann and I are deeply saddened by the news of the senseless violence that took the lives of 15 people in Colorado and injured dozens more. We are praying for the families and loved ones of the victims during this time of deep shock and immense grief. We expect that the person responsible for this terrible crime will be quickly brought to justice."“. Naja, so leicht ist das für einfache Gemüter: „... senseless violence...“ und „... the person responsible for this terrible crime will be quickly brought to justice“. Und schon ist alles wieder gut, „praying for the families and loved ones of the victims“, christliche Krokodilstränen von einem der reichsten Präsidentschaftskandidaten der je in den USA antratt, Investmenthai und Arbeitsplatzvernichter, und Freund der NRA (National Rifle Association). Zu guter Letzt wird man dann dem „Dark Knight“- Typen mit der Maske noch eine Kalziumspritze ins Herz setzen, und dann hat für Romneys Gesellen wieder alles seine Ruhe, in der „Gotham-“City.

Auch hätte man sich die aufwendigen Kulissen und Digitaltricks für die Massengewaltszenen leicht sparen können, indem man die Szenen in Griechenland, Spanien oder gleich in Syrien gedreht hätte. Aufstände und Revolutionen entstehen immer dann, wenn die Bürger die sie benachteiligende „Ordnung“ der „Guten“ nicht mehr ertragen können, wenn der Hunger die Angst besiegt; und wenn man auf der Straße trotz gezielter Desinformation alleine schon im Bauch begreift, wo gelogen und betrogen wird, ohne das die Volksseele dabei wirklich noch unterscheiden könnte, wer nun Gut oder Böse sei, und die Gewalt richtet sich letztlich gegen alles und jeden.

Das gerade im letzten Jahrzehnt Gewaltorgien in Endzeit-Hollywoodfilmen ein für den wirtschaftlichen Erfolg des Machwerks notwendiges „Qualitäts-“Kriterium ist, kommt ja nicht von ungefähr. Es ist das gefühlte Abbild aufgestauter Aggressionen der Bewunderer gegen den als undefinierbaren Macht- und Gewaltfaktor empfundenen Staat, dem man gerne etwas auf die Mütze gibt, gerade in den USA. Auch wenn das „Gute“, das in diesen Filmen immer genauso wenn noch nicht noch brutaler ist, am Ende immer siegt, es ist doch endlich nur die Konzession an den Opportunismus des Hollywoodfilms.

Ehrliche Filme dagegen sind rarer, vielleicht in diesem Genre noch „I Am Legend“, der der zukünftigen Realität trotz der unvermeidlichen Gewalt- und Pseudo-Happyend- Regeln Hollywoods, schon etwas näher kommt: „Tobias Kniebe, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, lobt: „Diese fundamentale Skepsis und die Ernsthaftigkeit, […], heben den Film über das Genre – und die hektische Dummheit des üblichen Hollywood-Actionmaterials – weit hinaus.““. Auch wenn es guten Grund gibt an Hollywood Kritik zu üben, so ist doch auch wahr, dass, neben der enormen wirtschaftlichen Professionalität der Hollywoodkunst, dort auch immer ein Stück Wirklichkeitswahrnehmung und Zukunftsvisionen produziert wurden und werden, die dann allzu oft auch zu Realität kristallisierten.

„The Dark Knight Rises“ ist der Nachfolgefilm des Kassenschlagers „The Dark Knight“: „...Für den Professor für Filmstudien Jerome Charyn verkomme Batman damit zum „Stichwortgeber und Handlanger des Joker“. Damit sei „aus dem nervtötenden Hollywood-Wahn, jeden Superhelden auf Erden auszuschlachten, endlich das erste Meisterwerk entstanden.“ So sei The Dark Knight „ein amoralischer Film, trotz des üblichen Hollywood-Endes, bei dem das aufgepappte Gute scheinbar obsiegt....Heath Ledgers Mega-Joker wurde zum neuen Helden der Nation und zu ihrer Totenmaske....“.

So schrieb die Süddeutsche schon zum Amtsantritt Obama's in 2008 zu den Morden unter Jugendlichen in der Stadt Boston/USA: „Junge schwarze Männer in den Vereinigten Staaten schießen immer häufiger - und sie sterben öfter als weiße Teenager einen gewaltsamen Tod. Zu diesem Ergebnis kommt eine .. Studie der Northeastern University in Boston.....Demnach verharrte die Zahl der von weißen Teenagern begangenen Morde auf einem Niveau (547) ...Derweil stieg die Zahl der Morde mit schwarzen Tätern unter 18 Jahren von jährlich 851 auf 1142 Fälle - eine Steigerung um 34 Prozent. Dazu trug vor allem eine Zunahme der Tötungen mit Schusswaffen bei....Insgesamt verhafteten die US-Behörden 2007 10067 mutmaßliche Täter wegen Mordes oder Totschlags. Etwas mehr als die Hälfte von ihnen (5078) waren Schwarze, die aber nur 13,4 Prozent der Bevölkerung ausmachen.…."Unzählige Amerikaner leben - und manche sterben - in gewaltverseuchten Vierteln." In Anspielung auf die jüngsten Finanzpakete zur Rettung der Wall Street fügt Fox hinzu: "Wir müssen dringend wieder in Kinder und Familien investieren." Der designierte Vizepräsident Joe Biden hatte kürzlich versprochen, Obamas Regierung wolle 50.000 zusätzliche Polizisten einstellen und vorrangig in städtischen Slums auf Streife schicken.“

Nun, Yes we Can, hin oder her, passiert ist nichts außer weiterer Finanzpakete nach ganz oben in der Gesellschaft. Und das liegt nicht daran das President Obama nicht auch an den Bedingungen in den Downtowns gerne etwas geändert hätte, sondern dass er am Widerstand der Besitzstands- Wahrer und Vermehrer im durch und durch korrupten Washington gescheitert ist: „US-Präsident Barack Obama hat eingeräumt, mit seinem Vorhaben gescheitert zu sein, die politische Kultur in Washington zu verbessern. "Washington fühlt sich genauso kaputt an wie vor vier Jahren", sagte Obama a..mit Blick auf seinen Wahlkampf 2008, bei dem er einen tiefgehenden Wandel im Land ..versprochen hatte. Es sei ihm nicht gelungen "die Atmosphäre hier in Washington so zu ändern, dass sie Anstand und Vernunft der normalen Bürger widerspiegelt."..."Ich habe zweifellos unterschätzt, wie sehr die Politik in dieser Stadt das Lösen von Problemen behindert", sagte Obama. ..Obama hatte 2008 als Präsidentschaftskandidat mit dem Slogan "Hope and Change" die Herzen vieler US-Bürger erobert. Tatsächlich blieben aber viele seiner Reformvorhaben in den Mühlen des Kongresses stecken oder wurden verwässert.“

Inzwischen breiten sich die neuen Slums der USA aus, die „Tent Citys“ (Zeltstädte) haben sich seit der Wirtschaftskrise fast überall in den USA gebildet. Selbst die ehemaligen Wohlstandszentren, so die Autostadt Detroit, sind inzwischen die „world's biggest ghetto“, wie es die noch-Bewohner es titulieren. Der Filmtrailer von dark-knights-rises ist da tatsächlich ein Abbild der Situation in der sich Opfer und Täter und Heuchler gleichermaßen befinden, und die Ernte die man einfährt ist zwar nicht so kuschelig und bildgewaltig, aber kaum anders als in Hollywoods Studios.


„Banken sind gefährlicher als stehende Armeen“, hat schon der amerikanische Ur-Präsident Thomas Jefferson trefflich bemerkt. Das Land der Freien und unbegrenzten Möglichkeiten ist längst zu einer Nation der permanenten Ungleichheit und Chancenlosigkeit verkommen, in den die Macht des Geldes längst die ehemalige Zwei-Parteien-Demokratie unterhöhlt hat. Was verwundert ist lediglich, dass in dem bis an die Zähne bewaffneten Land noch kein Bürgerkrieg ausgebrochen ist, wozu das inzwischen mindestens 40-Millionen starke Heer der Verarmten jederzeit in der Lage wäre. Nur der immer noch virulente „Amerikanische Traum“, des Tellerwäschers der zum Millionär wurde, und der Glaube an die eigene Größe hält die USA noch notdürftig zusammen. „Würden die Menschen das Geldsystem verstehen, hätten wir eine Revolution noch vor morgen früh.“ ist ein inzwischen wieder bekanntes Zitat des Autoproduzenten Henry Ford. Auch wenn es noch zu früh dafür ist, der Bürgerkrieg in den USA steht uns in den nächsten Jahrzehnten noch bevor, wenn sich nicht an der Politik für die Reichen und gegen das Volk in den USA schnell grundlegendes ändert. Zu erwarten ist das nicht, denn gerade Mitt Romney, der vielleicht wenn alles daneben gehen sollte der neue Präsident wird, hat sich zu seinem erklärten Ziel gesetzt, die einzige halbwegs gelungene Sozialreform Obamas, die Pflichtkrankenversicherung für alle, sofort wieder abzuschaffen. Wofür er, aus unserer deutschen Sicht wenig nachvollziehbaren Gründen, bislang breite Zustimmung unter den Wählern fand.

Weniger leicht fällt der Wohlstandstransport von unten nach oben in der geschichtlich mehr sozial geprägten EU. Sei es in Griechenland, Spanien, Portugal, Italien oder jetzt in Spanien. Die Welt schreibt: „....Die Teilnahmequote [an der Demo] übertraf alle Erwartungen. An den Protesten nahmen auch viele Polizisten, Militärs, Richter und Staatsanwälte teil. Die Gewerkschaften haben damit gedroht, zu einem neuen Generalstreik im September aufzurufen....Spanien steckt in einer Rezession. Mehr als 5,6 Millionen Menschen oder fast 25 Prozent der Erwerbstätigen sind [offiziell] arbeitslos - Rekord in der EU ...Die Regierung hatte vor wenigen Tagen erstmals eingeräumt, dass die Sparmaßnahmen von der EU-Kommission in Brüssel diktiert worden seien. Die Regierung ..hatte gehofft, dass das milliardenschwere Sparpaket die Märkte beruhigen würde, aber das Gegenteil ist der Fall. ...Bei einer Auktion mehrjähriger Staatsanleihen am Donnerstag musste Spanien erheblich mehr Zinsen zahlen. ….Falls diese Entwicklung andauert, dürfte sich Spanien auf die Dauer nicht mehr am Markt finanzieren können.“.

Und weiter: „Die spanische Polizei hat in der Nacht zum Freitag in der Hauptstadt Madrid Gummigeschosse gegen Teilnehmer eines Massenprotests gegen neue Sparmaßnahmen eingesetzt. Zudem trieb sie am Abend am zentralen Platz Puerta del Sol kleinere Gruppen von Demonstranten mit Schlagstöcken auseinander... [Protest in 80 Städten Spaniens-] Allein in der Hauptstadt Madrid nahmen nach Angaben der Zeitung "El País" mindestens 100.000 Menschen an der Demonstration teil....Der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba warf der Regierung Hörigkeit gegenüber der Europäischen Union vor. "Nehmen Sie ein Flugzeug nach Brüssel und sagen Sie denen, dass die Kürzungen Barbarei sind", sagte er an das Kabinett gerichtet. ...Eine der am heftigsten kritisierten Sparmaßnahmen der Regierung sieht eine Kürzung des Arbeitslosengeldes vor.“ Das Prinzip ist das gleiche, nur noch in stark abgemilderter Form, als wir es bei den Revolutionen im arabischen Raume seit wenigen Jahren sehen. Zuletzt in bewaffneten Konflikten wie in Libyen und zur Zeit in Syrien. Wenn das Maß der Ungerechtigkeiten erst einmal die letzten Grenzen überschritten hat, dann ist Krieg- und Bürgerkrieg eine unvermeidliche Konsequenz, in leichter Abwandlung eines Fassbinder Zitates also: „Hunger essen Angst auf.“!

Um den drohenden Bürgerkrieg im eigenen Lande zu vermeiden oder wenigstens herauszuschieben, waren zwischen nationale Kriege als letztes „Investitions- und Wachstumsprogramm“ historisch schon immer eine Option gewesen. Denn genauso wie die aus der Balance geratene innere Ressourcenverteilung den Bürgerkrieg im Schlepptau führt, so sind es die mit den aus den alten Fugen heraustretenden internationalen Macht- und Ressourcenverteilungen einhergehenden Kriege als Folge.

Das Machtspiel um Syrien zeigt die ganze Farce der Verhältnisse auf: Obwohl dort inzwischen schlimmere Bürgerkriegsverhältnisse als ehemals in Libyen herrschen, kann sich die „Weltgemeinschaft“ nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Das liegt vordergründig zur Zeit daran, dass sich vor allen Dingen Russland und China vehement gegen jede erfolgversprechende UN-Resolution stellen. Man könnte nun unvorsichtig annehmen, die beiden Mächte hätten eben keine moralischen Probleme mit den dort stattfindenden Massenmorden an Zivilisten, jedoch ist das bei weitem zu kurz gegriffen. Tatsächlich ist es nackte Machtpolitik um die zukünftigen Zugriffsmöglichkeiten auf den Nahen Osten und dessen überlebenswichtige Öl-Ressourcen. Mit der Zustimmung zu den Libyen-Sanktionen, die vom Westen mit ihrer Militäraktion gründlich überschritten wurden, hatte man den letzten gemeinsamen Schritt getan und dann schnell bereut. Das darf es aus der Sicht der neuen alten Weltmächte Russland und China nie mehr geben, man will nun keinen Centimeter mehr zurückweichen, sondern Macht und Einfluss in den Ressourcenländern vorantreiben.

So investiert China nicht nur im Nahen Osten sondern in Konkurrenz zu den USA auch massiv in Afrika und selbst schon im US-amerikanischen Hinterhof Lateinamerika. Und dazu hat China, und auch Russland, im Gegensatz zu den USA reichlich freie finanzielle Ressourcen, die nicht zuletzt aus der wirtschaftlichen Krise und der Überschuldung der US-Amerikaner stammen. Die USA andererseits haben alle Hände voll zu tun an den verschiedenen Fronten dieses kalten, ja eher lauwarmen, Krieges ihre Fronten wenigstens zu halten und den zunehmenden Einfluss des Ostens auf seine bislang unangefochtenen Ressourcen ein zu dämmen.
Und wer jetzt glaubt, der nahende Sieg der Revolution und der mögliche Abgang Assads wären vom blauen Himmel gefallen, der irrt. Natürlich haben alle Mächte in diesem Bürger- und Stellvertreterkrieg längst mit gemischt. So erhalten die aufständischen Waffen etwa über die arabische Liga unter Führung des westlichen Verbündeten Saudi-Arabien, die Türkei mischt an den gemeinsamen Grenzen mit, und China und Russland bringen ihre Waffen direkt oder über ihren Vasallen Iran ins Krisengebiet. Syrien steht in dem Risiko, zum letzten Glied in der Kette wirtschaftlicher und militärischer Auseinandersetzungen zu werden, die den Nahen Osten zum Brennpunkt einer neuerlichen Weltkatastrophe machen.

Q: wikipedia Giftgasgranaten
Syrien beherbergt eines der größten Chemiewaffenlager der Welt, welches Assad gegen die atomare Bedrohung des Nachbarn Israel aufgebaut hatte. Diese Waffen könnten nun Leuten in die Hände fallen, bei denen man solche Spielzeuge lieber nicht haben möchte. Man stelle sich nur vor einer der Giftgasgaranten explodiere nun auf einem belebten Platz in Israel, die Folgen wären verheerend. Man bedenke nur das bereits die Ermordung von fünf israelischen Touristen in Bulgarien, welche von Israel und den USA dem Iran via ihrem Stellvertreter Hisbollah als Rache für die ermordeten Atomspezialisten angelastet wird, zu einer umgehend vehement eskalierenden Kriegsrhetorik dort gegen den Iran geführt hat. Wobei die Aufregung etwas merkwürdig erscheint, denn nach dem man im Iran ein dutzend Wissenschaftler tötete, Atomanlagen mit Viren an den Rand der Katastrophe brachte und ständig mit Spionagedrohen übers Land fliegt, da fasst man den aktuellen Rachemord der Hisbollah(?) als casus bellum auf, der quasi unprovoziert „vom Himmel“ gefallen sei. Das Pulverfass steht also nun nicht allzu weit vor dem großen Knall.

Die Machtblöcke USA-Israel-NATO-EU einerseits und Russland-China-SOZ andererseits werden zwar erst versuchen weiterhin einen klassischen Stellvertreterkrieg im Nahen Osten zu führen. Die Türkei als Mittelmacht taktiert dazwischen noch hin und her, und hat obwohl schon NATO Mitglied auch einen Aufnahmeantrag bei der SOZ (China, Russland, Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan; Anwärter u.a.: Indien, Pakistan, Iran) eingereicht. Eine Eskalation ist keinesfalls ausgeschlossen, bei der sich dann schon bald etwa US-Army und Rote-Armee direkt gegen überstehen würden, zumal gerade Israel an der Iranschraube mächtig dreht. Ein unmittelbares Aufeinandertreffen der beiden Machtblöcke würde nun unweigerlich zu einem heißen Weltkrieg führen, da z.B. die Bindung wesentlicher amerikanischer Kräfte im Nahen Osten der Chinesischen Expansion im Pazifikraum dann alle Optionen eröffnen würde.

Kriege zwischen den großen Mächten kennen kein wirkliches Ende, sondern nur mehr oder weniger große Pausen. Pausen, die wie das klassische „Augusteische Zeitalter“ etwa, von allgemeinem Wohlstand und relativer Freiheit von größeren Auseinandersetzungen gekennzeichnet sind.

Pausen, die etwa alle hundert Jahre ihr Ende finden: „Nur die Toten haben das Ende des Krieges gesehen“, Platon (428 – 347 v.Chr.).

Montag, 16. Juli 2012

DEPPUS MAPPUS MAXIMUS : Der EnBW-Deal

Börsen sind Spekulantenbarometer: sie spiegeln wieder, welche Entwicklung der Preise von Finanzprodukten die Spielteilnehmer zukünftig erwarten. Börsen haben daher etwas mit Wirtschaft zu tun, sie „sind“ aber nicht die Wirtschaft, schon gar nicht die Realwirtschaft. Trotzdem wird fälschlicherweise in den Medien regelmäßig suggeriert, die Börsen seien ein direktes Abbild der Realwirtschaft, geht es ihnen gut, gehe es allen gut. Das ist selbst redender Unfug, auf die Spitze getrieben durch die Angewohnheit, nach jedem EU-Krisengipfel und zugehörigem „Rettungspaket“ sogleich ängstlich auf die Reaktionen der Börsen zu starren.

Die Entwicklungen und Reaktionen der wichtigsten Indices, so hier etwa der DAX, taugen durchaus als Stimmungsbarometer und damit als „Expertise des Bauchgefühls“ der Investoren bzgl. noch kommender Entwicklungen. So weit so gut, und ganz ähnlich, und i.a. etwas genauer, arbeitet der Ifo-Geschäftsklima-Index, bei dem regelmäßig eine Reihe bedeutender Wirtschaftsteilnehmer nach ihrer Einschätzung der weiteren Ereignisse befragt werden. Die Ergebnisse sind erstaunlich ähnlich, wenn man die längerfristigen Grafiken einmal vergleicht:

Die tendenziellen Verläufe von DAX und Ifo-Index gleichen sich. Beides sind "Bauchgefühl"-Indices. Datenquelle. Wikipedia (DAX und. Ifo).

Wie man sieht lassen sich die Euphorie an den Börsen mit den Entwicklungen des Ifo-Index gut korrelieren, auch Wirtschaftskapitäne sind halt beeinflußbar von der Stimmung der Finanzindustrie. Und: schlimmer, sie unterliegen offensichtlich bei der mittelfristigen Einschätzung denselben Problemen, und gerade kurz vor einem großen Knall steigen sowohl der Spekulanten DAX als auch der Fachmann/frau Ifo-Index auf Höchststände. Wenn Börsenwerte sich kurzfristig stark ändern, dann hat das nur selten etwas mit der wirtschaftlichen Lage zu tun, es ist in aller Regel lediglich die aktuelle Änderung der Nachfrage nach dem zugehörigen Finanzprodukt, in diesem Falle eben nach einer bestimmten Aktie. Wer also über den Tellerrand von ein paar Jahren, dito Legislaturperioden, hinaus denken möchte, der braucht schon mehr als die Hilfe eines solchen Index. Und wer mehr als „Oma's Kleinhäuschen“ investieren möchte, der braucht also auch mehr Expertise, als ausgerechnet die des Bankberater auf der Gegenseite des Verhandlungstisches, dem da schon die Dollarscheinchen in den Augen glänzen. 

Glücklich wähnte sich dagegen Verhandlungsgenie Mappus, wo auf der Verkäuferseite seine wohl „besten“ Freunde saßen. Da brauchte man sich dann nicht mehr in peniblen Kleinkram zu ergehen, wie etwa einer eigenständige Preisermittlung; ebenso das übliche peinliche Gezänke um die Beraterprämien konnte entfallen. Und natürlich, um die lästige Beteiligung von Parlamenten, Beamten und madigen Fliegen aus der Rechtsabteilung brauchte er sich dann auch nicht weiter zu kümmern, schließlich war er ja so schon von echten Freunden umgeben.

Wen wundert's, wenn sich Ministerpräsidenten als absolutistische Monarchen wähnen, die mit ihren besten Freunden im Hintergrund alleine die ökonomische Welt bewegen können. So Mappus Rex's Freund Dirk Notheis : “Notheis studierte Betriebswirtschaft sowie Politologie und Philosophie. Ab 1992 war Notheis als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Ministers Erwin Vetter (CDU) im Staatsministerium Baden-Württemberg tätig. Notheis engagierte sich frühzeitig politisch für die Junge Union. Von 1995 bis 1999 arbeitete er bei der damaligen Südwestdeutschen Genossenschafts-Zentralbank AG, Frankfurt. 1999 wechselte er zu Morgan Stanley. Seit 2006 ist er Mitglied des Vorstands der deutschen Morgan Stanley, seit Februar 2009 ihr Vorstandsvorsitzender.“

Notheis promovierte übrigens zum Thema “Ansatzpunkte und Strategien zur Akquisition von Unternehmensspenden: eine explorative Studie zum Spendenmarketing spendenakquirierender Organisationen.“. Nun ja, „Honi soit qui mal y pense“. Jedenfalls eine glückliche Fügung also: „Im Dezember 2010 kaufte das deutsche Bundesland Baden-Württemberg beraten von Morgan Stanley für 4,67 Milliarden Euro einen Aktienanteil von 45,01 % am baden-württembergischen EnergiekonzernEnBW. Mit Nebenkosten und Garantien kostete das Aktienpaket sogar 5,9 Milliarden Euro. Laut Staatsministerium Baden-Württemberg erfolgte die Vergabe an Morgan Stanley ohne Ausschreibung....Im Juni 2012 zeigte sich in einem öffentlich gewordenen E-Mail-Kontakt, dass Notheis Mappus’ Aussagen für die Preisverhandlungen aufgeschrieben hat und dass ein auf den wechselseitig persönlichen Vorteil bedachtes Verhältnis zwischen Notheis und Mappus geherrscht hat. So schrieb Notheis an Mappus, nachdem der Deal gelang: "Was für ein Nikolaustags-Geschenk!“ Er instruierte seinen Duz-Freund Mappus ausführlich vorab, seine Seilschaften spielen zu lassen, damit das für Morgan Stanley hochprofitable Geschäft abgeschlossen werden konnte: „so ein Deal ist nicht ganz einfach für Ordoliberale. Du solltest idealerweise einen renommierten Volkswirt haben, der das Ganze gut findet.“ „Es sollte jemand sein, der Dir einen Gefallen schuldet.“"

Naja, dass dürfte ja nicht so schwierig sein : “...Dies und das „besondere Vertrauen der Verkäuferseite“ in diese Bank nannte Mappus als Grund für die Beauftragung von Morgan Stanley Deutschland. Im Februar 2012 wurde aus einem Bericht der baden-württembergischen Landesregierung bekannt, dass auch die EdF Morgan Stanley als Beraterbank beauftragt hatte und dass die Investmentbank dadurch teilweise mit sich selbst verhandelt habe.....Die Zustimmung des Landtages zu einer Kapitalgarantie des Landes in Höhe von 5,9 Milliarden Euro wurde erst nachträglich – nach Unterzeichnung der Verträge – eingeholt. Mappus begründete dieses Vorgehen mit dem Eintreten eines „...unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses...“ laut Artikel 81 der Landesverfassung [was hier nach allgemeinen juristischem Verständnis auf keinen Fall gegeben ist, da selbst herbei geführt]. Den für das Notbewilligungsrecht nach diesem Verfassungsartikel zuständigen Finanzminister Willi Stächele weihte Mappus erst wenige Stunden vor Vertragsunterzeichnung ein. Die bei der Staatsanwaltschaft Stuttgart eingegangenen Anzeigen blieben trotz der Vorwürfe damals ohne Folgen....“.

Gravierend für diese unglaubliche Verfilzung zwischen politischen Gefälligskeitsfreunden, aber auch Teilen des Rechtsstaates, zeigt die Weigerung der Staatsanwaltschaft Stuttgart, trotz der ganz offensichtlichen Verfassungsrechtsverstöße überhaupt nur ein Ermittlungsverfahren (gegen mutmaßliche Parteifreunde) aufzunehmen. Und weiter: „...Das Handelsblatt schrieb am 17. Oktober 2011: „Es war, sieht man von der Bankenrettung einmal ab, die größte Verstaatlichung in der Bundesrepublik. Der zu schlampig dokumentierte Deal erschwert die Suche nach den Schuldigen. Die Mappus-Regierung hat nicht viele Spuren hinterlassen. … Es war, sieht man von der Bankenrettung einmal ab, die größte Verstaatlichung in der Bundesrepublik. Gleichzeitig war … [es] das am dilettantischsten abgeschlossene Geschäft dieser Größenordnung, das je eine staatliche Organisation einfädelte. Es verstieß gegen Recht und Gesetz, es missachtete die Hoheit des Parlaments sowie verschiedene Rechts- und Haushaltsgrundsätze – von kaufmännisch ehrhaftem Verhalten einmal ganz abgesehen.“.“

Nach der für Mappus überraschend verlorenen Wahl änderten sich die Verhältnisse allerdings radikal: „...Am 6. Oktober 2011 verkündete der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg sein Urteil zum EnBW-Kauf. Er urteilte, dass der damalige Finanzminister Stächele mit der Unterschrift unter die Notbewilligung zum Ankauf der EnBW-Aktien ohne Beteiligung des Parlamentes gegen die Verfassung des Landes Baden-Württemberg verstieß. Stächele trat am 12. Oktober 2011 als Landtagspräsident zurück....Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ermittelt seit Juli 2012 nun doch wegen Verdachts der Untreue gegen Mappus. Aus einem Gutachten des Landesrechnungshofes haben sich "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" für den Tatverdacht ergeben. Mappus wird vorgeworfen, für die EnBW-Aktien mindestens 840 Millionen Euro zu viel gezahlt zu haben. Diese Zahl ermittelte ein weiteres Gutachten, das von der grün-roten Nachfolgeregierung in Auftrag gegeben und von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thornton erstellt wurde. Am 11. Juli 2012 wurden die Wohnung von Stefan Mappus und rund 50 andere Objekte von der Polizei durchsucht. Am 13. Juli 2012 wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft auch gegen Ex-Finanzminister Willi Stächele und Ex-Staatsminister Helmut Rau (beide CDU) ermittelt."“.

Aber Mappus hätte ahnen müssen, wie armselig er in den Händen eines gewieften Investmentbankers dastehen würde. So Notheis selbst in einem Interview von 2009 : „...[karriere.de:]Ist Politik ein schmutziges Geschäft? [notheis:]Nein, ganz im Gegenteil. Politik war für mich immer die Freude an der Auseinandersetzung um das beste Argument und die Freude daran, die Strukturen der Gesellschaft so zu formen, dass alle Menschen gute Lebensbedingungen vorfinden. ... [karriere.de:] Ist in der Politik zu wenig wirtschaftlicher Sachverstand? [notheis:] Die Rekrutierungsmechanismen der Parteien lassen heute Karrieren von wirtschaftlich erfahrenen Menschen kaum mehr zu. Wenn Sie heute Berufspolitiker werden wollen, also erst Abgeordneter, dann Minister, müssen Sie sich schon ganz früh auf die reine Politik festlegen und die Ochsentour starten. Das heißt der Dreiklang - Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal - ist irgendwie zwangsläufig, weil systemisch bedingt. Diese Mechanismen limitieren natürlich den wirtschaftlichen Erfahrungsschatz in der Politik....“.

In kompletter Selbstüberschätzung und Inkompetenz zahlte Mappus bei weitem mehr als notwendig gewesen wäre „...Laut der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thorton wäre ein Preis von 34,05 Euro pro Aktie angemessen gewesen, Mappus hatte aber 41,50 Euro (inklusive Dividende) bezahlt. Mit der Expertise will Grün-Rot ihre Klage gegen die EdF vor dem Internationalen Schiedsgericht in Paris stützen. Das Land fordert von dem französischen Stromkonzern 2 Milliarden Euro des Kaufpreises zurück.“. Und „nebenbei“ kamen ja noch 1,2 Milliarden an „Nebenkosten“ zu dem Dealpreis hinzu, ein Tatbestand der z.Z. noch nicht mal näher untersucht worden ist. Legal, illegal, scheißegal, für Politiker des Schlages Mappus spielen Parlament und Verfassung offensichtlich nur eine sehr nachrangige Rolle. 

So schreibt die Frankfurter Allgemeine: „..„Am Ende des Tages“ wirkten alle mit: Beim ENBW-Milliardengeschäft war die Zustimmung des Parlaments reine Formsache. Dennoch ist das Wirtschaftsdrama der private Verrat des Stefan Mappus. Am Anfang hatten Stefan Mappus und Dirk Notheis noch versucht, den ENBW-Kauf nach den Regeln der Verfassung zu schließen. ...Das machte die französischen Verkäufer nervös, denn ein Parlament ist unberechenbar. Also erteilte der Investmentbanker Notheis ihnen eine Lektion: „In der parlamentarischen Geschichte von Baden-Württemberg“, dozierte er in einer Mail an die Franzosen, „gab es keine Entscheidung der Regierung, die nicht vom Parlament verabschiedet wurde. Die parlamentarische Zustimmung ist eine reine Formalie.“ Tatsache: „Am Ende des Tages“, wie Mappus gern sagt, war die Zustimmung des Parlaments für das Milliardengeschäft reine Formsache. ...Und nicht er allein, alle wirkten mit: sein Kabinett (einstimmig), seine Landtagsfraktion (einstimmig) und die Koalitionsfreunde der FDP-Fraktion (einstimmig, bei einer Enthaltung). ...ENBW ist kein Paradebeispiel für die Fiesheit der Banker, sondern ein Paradebeispiel für die Gefahren, die lauern, wenn Politiker Manager spielen. Hat man diesen Kern des Skandals herausgeschält, finden auch all die Verstöße und bizarren E-Mails ihren Platz. Kauft der Staat mit Steuergeld, kommt es eben auf ein paar Euro mehr oder weniger pro Aktie nicht an. Dann können Kontrolleure im Parlament oder Kabinett zu Abnickern degradiert werden. „Kriegst Du Willi Montag früh in den Griff?“, erkundigte sich Notheis bei Mappus. Oder müsse man Finanzminister Stächele, der die Milliarden verpfänden sollte, doch schon Sonntagnacht einweihen? Kein Vorstand könnte mit seinem Aufsichtsrat so umspringen. ...Die Bürger hatten das große Pech, dass genau dieser Landeschef kaufte, dem „am Ende des Tages“ die zersetzende Wirkung seines Tuns auf Gewaltenteilung und demokratische Kultur egal war. Schnurzpiepegal war ihm das wirtschaftliche Risiko der Machtverschiebung von Staatsdienern auf staatsferne Dienstleister. ...Dass Mappus’ Vertrauter Notheis dessen Unerfahrenheit in Geschäftsdingen krass zum eigenen Vorteil ausnutzte - „Du brauchst keine zweite Fairness Opinion!“ - und bei der Gegenseite sogar für Mappus die Preise verdarb - „Mein Freund würde wohl auch für einen höheren Preis kaufen“ -, das kann man nicht mehr als Wirtschaftsdrama verstehen. So etwas hätte kein Banker gegenüber Kunden gewagt. Es war ein privater Verrat...“.

Bei alledem ist noch gänzlich ungeklärt, wer der Beteiligten bei dem „Geheim“-Deal auf Kosten der Steuerzahler die Hand aufgehalten und auch gefüllt bekam. Da sind zunächst mal die Tantiemen in mehrstelliger Millionenhöhe die Morgan Stanley einsteckte, und von denen Notheis vermutlich mindestens nach den Bankintern üblichen Regeln, ebenfalls per großzügigen Boni profitierte. Aber das wird lange noch nicht alles sein. Natürlich erstmal der Verkäufer, der natürlich statt des damaligen Börsenwertes um die 34 Euro nun stolze 41,50 Euro pro Aktie erhielt. Natürlich wird es das in der Branche übliche „Fore-Running“ gegeben haben. Denn immer wenn eine kleine Clique als einzige wissen, dass bald ein ordentlicher Deal ansteht, so decken sich diese im Vorhinein reichlich mit Aktien ein (oder stoßen sie ab, falls ein umgekehrter Schock ansteht). Das wird mit Sicherheit auch bei den Hauptbeteiligten zu finden sein, wenn man nur gründlich genug die Kontenbewegungen filzt. Insbesondere würde es mich nur wenig wundern, wenn der „gute Freund“ nicht nur schon Aktien, die schon seit geraumer Zeit auf Sinkflug waren, von EnBW besessen hätte, sondern im Vorfeld reichlich hinzu gekauft hätte. Um sie kurz nach dem Deal gewinnträchtig wieder abzustoßen. 

Der Mappus-Deal bescherte der EnBW-Aktie ein Handelsvolumen, das zuletzt nur vor dem Lehman-Crash erreicht wurde. Der Mappus-Deal ließ den Handelswert der EnBW-Aktie sprunghaft von ca. 34 auf 41,5 € hochschnellen. Nach der künstlichen Hausse geht der langfristige Trend aber wieder auf den alten zurück.
Was man ja auch musste, denn natürlich hat die Aktie ihren alten Sinkflug nach der künstlichen Mappus-Hause weiter fortgesetzt und notiert zur Zeit so um die 30 Euro. Macht ja nix, ist ja nicht sein Geld, zumal es ja nicht weg ist, es ist jetzt nur in anderen Händen.... Eine alt bekannte Methode, die auch angesichts der bekannt gewordenen, zynischen und jedes Rechtsverständnis vermissen lassenden, Emails zwischen Notheis und Mappus als ziemlich sicher durch geführt gelten dürfte. Für so dumm, dass er das verbotene Forrunning selbst praktizierte, für so dumm halte ich Mappus allerdings auch wieder nicht. Der Vorteil des MP Mappus lag im Besonderen darin, dass er sich mit dem Giga-Deal als großer Wirtschaftslenker im damaligen Wahlkampf präsentieren wollte; als derjenige der dem Staat einer seiner vormals, ebenso von einer CDU-Regierung, veräußerte Preciose zurück eroberte. Eine Wahlkampffinanzierung für und auf Kosten seiner potentiellen Wähler also. Nur, die Atom-Katastrophe von Fukushima machte ihm wenige Tage nach dem Deal, der sonst auf sorgfältig legale Weise erst nach dem Wahltage zustande gekommen wäre, einen kräftigen Strich durch die Rechnung.

Chartsprünge durch solche Giga-Deals sind häufig durch kriminelles, aber schwer nachweisbares, Forrunning begleitet. In dem Chart werden leider gleichzeitige grüne Balken (Einkäufe) und rote Balken (Verkäufe) sich gegenseitig überdecken, so dass hier nicht alle Bewegungen sofort erkennbar sind. Am ersten Tag des Mappus-Deals ist aber die Situation ziemlich eindeutig: Den Einkäufen von Mappus (ca. 65.000 Einheiten) stehen Verkäufe der Aktionäre von satten 78.000 Einheiten gegenüber. Das ist ein sicheres Anzeichen für kriminelles Forerunning: Dabei kauft der Händler (Morgan Stanley oder andere Eingeweihte) kurz vor der Giga-Order Aktien zum billig Preis ein, wenige Minuten später kommt dann der Hauptdeal zum Maximumspreis hinterher. Der Gewinn wird auf Kosten des Hauptkäufers kassiert. Solche Insidergeschäfte sind aber verboten. Auch im Nachhinein ging das gewinnträchtige Spiel weiter, mit den After-runs. Da wurden weitere Aktien für das Mappuspaket aufgestockt, etwa 40.000 Einheiten, wo Aktionäre ihre Altaktien gewinnbringend weiter reichten. Im weiteren Verlauf kamen noch einige Zocker hinzu (grüne Einkäufe) die an eine weitere Hausse glaubten und so leichte Opfer für weitere Abzocke wurden. Die Firma dankt, und eine fleißige Staatsanwaltschaft sollte sehr gut durchleuchten, wer der beteiligten welche Aktienportfolios wann erwarb und wann er sie veräußerte. Da dürfte sich noch manch ein Name oder eine Verbindung von Interesse finden.
Kaum auszudenken, was passiert wäre, wenn Mappus seine letzte Wahl gewonnen hätte. Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft würde weiter im Wege stehen, und nur die wenigen zäh recherchierende Journalisten würden so langsam aber sicher, wie im Falle Guttenberg, die Wahrheit ans Licht kitzeln. Während dessen aus Berlin von „Mutti“ (so nannten Mappus und Notheis die Kanzlerin in ihren Emails) eine Solidaritätsadresse nach der anderen abgegeben würde um den „verdienten“ Staatsmann Mappus in BW auf dem Sockel zu halten. Zumal die Sache genauso eine Bundespolitische Entsprechung hat: „...Dass heute, ein gutes Jahr später, wohl keine Landesregierung mehr so schnell ihr Parlament übertölpeln wird, könnte auf Dauer gar als Verdienst von Stefan Mappus gewertet werden. Auf Bundesebene muss schließlich noch immer das Bundesverfassungsgericht nachhelfen...“. Wobei letzteres noch fraglich ist, bis zum 12. September will sich das Bundesverfassungsgericht dafür, oder dagegen, Zeit lassen.

Mit dem Untersuchungsausschuß in Sachen EnBW wird die Sache noch nicht gleich zu Ende sein, da wird noch manch ein Kalauer ans Tageslicht kommen, auch aus den Beteiligten wie Morgan-Stanley als auch aus EnBW selbst. Angesichts der Tragweite suchen die willigen Helfer des Deals längst das Weite, und jeder sucht Rettung mal in „Offenheit“ oder mal Deckung unterm Teppich: „..Bei der CDU wächst die Angst, das Thema könne die Partei noch im Bundestagswahlkampf belasten. „Das kann im Untersuchungsausschuss des Landtages, beim Schadensersatzprozess und bei den staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen weit in das Jahr 2013 hineinreichen“, sagte der ehemalige Ministerpräsident und heutige EU-Kommissar Günther Oettinger dem „Spiegel“. Zuvor war der Appell von Bundesministerin Annette Schavan für mehr Einigkeit in ihrem Heimatverband verhallt. Landeschef Strobl erklärte in der Zeitung „Die Welt“: „Unsere Probleme entstanden wahrlich nicht dadurch, dass die CDU Stefan Mappus nicht geschlossen genug gefolgt ist.“ Hauk sagte dem „Focus“, es wäre scheinheilig, „Geschlossenheit zu demonstrieren, wo keine ist“....“.

Diese unglaubliche Polit-Posse ist dermaßen umfangreiche und blöde, dass man einem Drehbuchschreiber sein Werk wegen dem völlig durchgeknallten Plot gleich wieder zurück reichen würde. Es schreit aber gerade zu nach einer Verfilmung im satirischen Stile des „Schtonk“. Kaum zu übertreffen die Mischung aus Macht, Gier, Betrug und völliger Inkompetenz der Hauptverantwortlichen, eine Geschichte von Seilschaften und gegenseitigen Gefälligkeiten und rücksichtslosen Beutezügen auf Kosten Dritter, von den Mechanismen der Politik und der Verfilzung mit privaten Unternehmen und Banken sowie der Desinformation der Öffentlichkeit gekrönt von Rechts- und Verfassungsbruch bis zum Abwinken.

Ein unglaublich Schauerspiel. Weniger unglaublich als der Plot ist allerdings, dass die Hauptverantwortlichen dieses Demokratiedesasters am Ende vermutlich juristisch wieder einigermaßen ungeschoren davon kommen werden. Man könnte es dann ggf. Staatsräson nennen. Oder je nach dem wie es läuft, vielleicht auch Staatsversagen.

Zum Abgewöhnen, ein paar der bislang bekannt gewordenen Emailauszüge:
  • [Handelsblatt:]  „Du solltest drei Landräte, ohne den Aufsichtsratsvorsitzenden, zu einem vertraulichen Gespräch zunächst ohne Angabe von Gründen ins Staatsministerium einladen“, diktierte Notheis. Bundeskanzlerin Angela Merkel müsste über die Verstaatlichung der Energie Baden-Württemberg (EnBW) zwar informiert werden. Aber, so Notheis, erst „kurz davor“.
  • „Du solltest ihn anrufen und bitten, dass er das Meeting mit Sarko organisiert. Oder Du fragst Mutti [BK Merkel], ob sie Dir das arrangieren kann.“
  • „Dein Bruder [René Proglio, Frankreich-Chef von Morgan Stanley und Bruder des Verkäufers Henri Proglio.] hat dem Deal bereits zu einem Preis von 40 Euro (pro Aktie) zugestimmt, und wir wissen, das ist mehr als üppig.“
  • Mappus habe die Kanzlerin in der Hand, schrieb der Investmentbanker [an den Verkäufer, der zweifelte ob der Deal am Parlament vorbei möglich wäre...] . Der baden-württembergische Ministerpräsident kontrolliere 30 Prozent der Parteitagsdelegierten der CDU. Mappus „kann Angela mit seinen Truppen töten“, erklärte Notheis.
  • Mappus brauche einen Anwalt, schrieb Notheis. „Mein Vorschlag wäre Gleiss Lutz, Herr Dr. Schockenhoff. Vorteil: verschwiegen und gut.“ Außerdem sei ein Medienberater nötig. „Würde hierzu Hering & Schuppener, Alexander Geiser nehmen“, riet Notheis. „Er wird den richtigen Spin bei FAZ, Handelsblatt, FTD etc. erzeugen und dich aufs Titelblatt bringen.“ Und um die Franzosen einzunorden, sei ein Treffen mit Präsident Sarkozy am besten. Hier setzte Notheis wieder auf die Kanzlerin. Zitat: „Du fragst Mutti, ob sie dir das arrangieren kann.“
  • „Du wirst Anrufe von zahlreichen Banken bekommen“, schrieb Notheis an Mappus. „Sie werden dich drängen, ihnen ein Mandat zu geben. Du musst das alles ablehnen (!!) und sagen, dass du bereits vollständig beratungstechnisch aufgestellt bist. Bitte achte darauf, dass du das durchziehst. Das verursacht sonst erheblich Sand im Getriebe, und das kann ich jetzt nicht gebrauchen.“
  • „Geht es auch, die Rechnung in ca. drei Wochen zu stellen und die Bezahlung nach der Wahl durchzuführen?“[Mappus an Notheis bzgl. Honorar für morgan Stanley] .Antwort Notheis: „Für dich mach' ich doch alles!“
  • [swp:] "Wenn Du [Mappus] ihn [Finanzminister Willi Stächele] am Montagmorgen in den Griff bekommst, dann würde ich ihn doch nicht vorab informieren. Habe nochmals darüber nachgedacht."
  • [Bild:] „Da hat sich das Land für 4,67 Milliarden einen Haufen Schulden eingekauft.“
  • „Der Ex-MP scherzte in einer anderen Mail: „P.S.: Fall die Kohle nicht mehr reicht, spendier ich im Stami [Staatsministerium] warmes Essen und warme Getränke...““

Fortsetzung folgt demnächst in diesem Theater....


Donnerstag, 12. Juli 2012

Vermögenszwangsanleihe: Königsweg oder Ruin?


Das Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) ist jüngst mit einer durchaus naheliegenden Idee vorgeprescht: Eine Zwangsanleihe auf Vermögen um damit die galoppierenden Defizite des Staates, ausgelöst im besonderen durch die vielen Rettungsaktionen in der Finanzkrise, zu finanzieren.

Nun, solche Zwangsanleihen haben eine lange Tradition, und tauchen historisch immer im Zusammenhang mit Finanzkrisen auf. So schreibt die WELT  zu den aktuellen Vorschlägen: „Für den Abbau der öffentlichen Schulden , ...wird von weiten Teilen der Öffentlichkeit und der Politik nur ein Rückgang der Staatsausgaben als Instrument erwogen. Über die Alternative, nämlich Steuererhöhungen, denkt kaum jemand nach. Um die Diskussion zu öffnen, wurden deswegen im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) mögliche Alternativszenarien berechnet: eine einmalige Vermögensabgabe bzw. eine Zwangsanleihe auf große Vermögen....Damit könnte man den Schuldenstand in Deutschland ein deutliches Stück näher an die im Maastricht-Vertrag festgeschriebene 60-Prozent-Grenze zurückführen.“

Und natürlich hat das ganze im Prinzip auch seine Berechtigung, und so schreibt die zum Springer Konzern gehörende WELT weiter in seinem erstaunlich guten Essay: „...Wir befinden uns nun in der bemerkenswerten Situation, dass in den letzten 15 Jahren die Staatsausgaben aus guten Gründen nicht radikal heruntergefahren, aber trotzdem die Steuern gesenkt wurden. ...Die Verschuldungsquote von 81 Prozent des BIP ist nun Anlass für eine neuerliche Ausgabensenkungsrethorik.... Aber es gibt inzwischen auch immer mehr Stimmen, die laut über Steuererhöhungen nachdenken. Denn angesichts der Entwicklung der vergangenen Jahre kann man genauso gut die Perspektive einnehmen, dass die Steuern zu niedrig waren – und nicht die Ausgaben zu hoch. Das ist in den Schichten der wirtschaftlichen Eliten und der meinungsbildenden Kreise natürlich keine Nachricht, die auf Begeisterung stößt. ... Dabei ist auch zu bedenken, dass in Deutschland die Einkommenszuwächse der letzten 15 Jahre weitgehend bei den reichsten 10 Prozent der Bevölkerung anfielen und die Verteilung entsprechend ungleicher geworden ist. Was auch gerne vergessen wird: Die Staatsschulden wurden ja niemandem aufgezwungen, sondern Vermögen, die nach Anlagemöglichkeiten suchen, haben sich in der Regel freiwillig für das Zeichnen von deutschen Staatsanleihen entschieden. Man kann das auch so interpretieren: Vermögende, die von den Steuerentlastungen und der Umverteilung von unten nach oben in den letzten Jahre profitiert haben, waren froh, dass es die Möglichkeit gab, dem deutschen Staat Geld zu leihen. Würde jetzt eine einmalige Vermögensabgabe bzw. eine Zwangsanleihe eingeführt, könnte man diese auch als ausgleichende Gerechtigkeit interpretieren. Die Umverteilung von Einkommen, die insbesondere in den letzten zehn Jahren von unten nach oben stattgefunden hat, würde wieder teilweise rückgängig gemacht. Man beachte: Das Aufkommen vermögensbezogener Steuern macht in Deutschland weniger als ein Prozent des BIP aus. In der OECD insgesamt liegt der Anteil doppelt so hoch. In Großbritannien bei über vier Prozent des BIP. Mit einer einmaligen Vermögensabgabe könnten zumindest die Staatsschulden zügig zurückgeführt werden, die auf diverse Rettungsaktionen zurückgehen und manch einen Vermögensbesitzer bisher vor Verlusten bewahrt hat – zulasten aller Steuerzahler. ...Von den auf Pump finanzierten Staatsausgaben der letzten Jahre und von staatlichen Rettungsmaßnahmen haben schließlich Vermögende am meisten profitiert. ...Ob – wie in Frankreich im Gespräch – bei der Einkommensteuer ein Spitzensteuersatz von 75 Prozent durchsetzbar und klug ist, ist sicherlich eine offene Frage. Fest steht aber, dass in den Fünfzigerjahren ein solch hoher Satz der wirtschaftlichen Entwicklung der USA nicht geschadet hat.“



Der Spiegel berichtet : „Der Club der Millionäre wächst - Krise hin oder her. ...Und Deutschland ist ganz vorne mit dabei: Mehr als 950.000 Dollar-Millionäre gibt es hierzulande, nur in Japan und den USA sind es mehr. Insgesamt sollen die gut Betuchten dieser Welt rund 42 Billionen US-Dollar horten.“

Viel Sympathie kann Spiegel-Online allerdings für eine Zwangsanleihe nicht sehen: „...vom Griff "tief in die rote Mottenkiste" ist in der FDP die Rede..... "Interessant" nennt ihn ein Sprecher von Minister Wolfgang Schäuble - allerdings nicht für Deutschland, sondern für Staaten, in denen es "ein schwieriges Verhältnis" zwischen dem Steueraufkommen und dem Privatvermögen gebe. ….Das sehen die Forscher vom DIW ähnlich. "Gerade für die Krisenländer wären solche Instrumente eine sinnvolle Option, um die durchaus vorhandenen und zum Teil stark konzentrierten Privatvermögen zur Refinanzierung der Staaten heranzuziehen", sagte DIW-Experte Stefan Bach.....Zwangsanleihe, Abgabepflicht - bei solchen Worten gruselt es viele in Union und FDP. "Vollkommen ungeeignet und kontraproduktiv" nennt FDP-Finanzexperte Volker Wissing die Vorschläge. ..."Ich halte nichts von Zwangsenteignung", erklärte auch Norbert Barthle (CDU), der Chef-Haushälter der Unionsfraktion. Und CSU-Wirtschaftsexperte Hans Michelbach wetterte: "...Hauptleidtragende dieses Schuldenmodells würde wieder einmal die Mittelschicht sein, die schon jetzt die Hauptlast der Staatsfinanzierung trägt."“

Ähnliche Instrumente schweben SPD und Grüne vor, nämlich eine Vermögensteuer: „...Auch in der Opposition gibt es Vorbehalte. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hält zwar den Grundgedanken des DIW für richtig, Vermögende an den Kosten der Krise zu beteiligen. "Sie zählen ja schließlich zu den Hauptnutznießern der Euro-Rettung", sagte Trittin der "Rheinischen Post". "Aber warum sollte sich der Staat das Geld bei den Vermögenden leihen, also neue Schulden machen - und ihnen dafür auch noch Zinsen zahlen?" Davon hält Trittin nichts. "Wir halten eine zeitlich befristete und zweckgebundene Abgabe auf Vermögen über eine Million Euro für sinnvoller. "“

Als Zwischenbemerkung sollte man vielleicht hier einfädeln, das unser großer Bruder USA bereits mit solchen Zwangsanleihen arbeitet. Der US-Bundesstaat Kalifornien  erhebt seit November 2009 zur Bekämpfung akuten Geldmangels eine Zwangsanleihe von 10 % auf alle in Kalifornien erwirtschafteten Löhne : „...Starting Sunday, cash-strapped California will dig deeper into the pocketbooks of wage earners -- holding back 10% more than it already does in state income taxes just as the biggest shopping season of the year kicks into gear. ...The extra withholding may seem like a small amount siphoned from each paycheck, but it adds up to a $1.7-billion fix for California's deficit-riddled books. From a single taxpayer earning $51,000 a year with no dependents, the state will be grabbing an extra $17.59 each month, according to state tax officials....California will probably continue to collect the tax at a higher rate for many years -- or find an additional $1.7 billion to slice from a future budget, an unlikely occurrence. All workers who have state taxes withheld will see their paychecks shrink....“ Diese Zwangsanleihen sollen dann irgendwann den Betroffenen zurück gezahlt werden, wobei das aufgrund der Finanzlage Kaliforniens eher unwahrscheinlich ist. Das ganze hat erstaunlicherweise zu keinem großen Echo geführt. Der Grund dürfte simpel sein: Es traf und trifft natürlich nur die Schaffenden. Von Vermögenden ist und war hier keine Rede, und damit war das ganze selbstverständlich keiner übermäßigen Aufregung wert.

Nun ja, die vom DIW vorgeschlagene Zwangsanleihe auf große Vermögen wäre aus erster Sicht durchaus eine bedeutende Geldquelle für den Staat. Sie wäre auch gerecht und sie täte objektiv gesehen, wenn sie tatsächlich etwa nur auf wirklich große auf Cash- und Wertpapier-Vermögen angewendet würde, keinem der Betroffenen wirklich weh. Denn wenn jemand auf seinem Portfolio 20 Millionen hat, dann ist er danach mit 18 Millionen weder arm, noch merkt er es in irgendeiner Form in seinem Lebensstandard. Auf diese Art kämen nach Rechnung des DIW also erstmal 230 Mrd.€ in die Staatskasse. Nicht schlecht also.

Aber auch gut? Das ist jetzt ein sehr komplexes ökonomisches Thema, und die Antwort ein ziemlich lang gezogenes Jeiiiiiiin... Aber ich versuche trotzdem in relativer Kürze die wesentlichen ökonomischen (und teilweise politischen) Folgen zu erläutern:

(1) Zwangsanleihen sind historisch immer ein klarer Ausdruck dafür, dass dem Staat, bzw.  seiner Währung, das Wasser bis zum Halse steht. Kurz- und Mittelfristig können sie funktionieren, langfristig sind sie regelmäßig der Vorbote einer später dann doch noch notwendigen Währungsreform.

(2) Für die tatsächlich Wirkung abzuschätzen, ist es von entscheidender Bedeutung, ob wir über ein geschlossenes (Nationalökonomie) oder offenes System (Nationalökonomie innerhalb einer sehr viel größeren globalen Ökonomie mit erheblichen Außenbeiträgen) reden.

(3) Das wahre Problem ist überall der viel zu hohe Kapitalkoeffizient. Langfristig wirksam sind solche Vermögensabzüge (egal ob Zwangsanleihe oder Steuer auf Vermögen) daher dann und nur dann, wenn sie auch zu effektiver Nettovermögensvernichtung (und damit Netto-Schuldenvernichtung) führen. Andernfalls führen sie nur zu einer Vermögensumverteilung, ohne im ökonomischen Summeneffekt etwas an dem totalen Kapitalkoeffizienten zu ändern, und damit auch ohne Änderung des Renditendrucks auf das BIP einhergeht.

Innerhalb einer geschlossenen Nationalökonomie wären Zwangsanleihen auf Vermögen, insbesondere auf Wertpapiervermögen, ein praktikabler Ausweg: Per Zwangsanleihe würden die überflüssigen Wertpapiere in eine renditelose staatliche Bad-Bank ausgelagert und damit dem Kapitalmarkt auf unbestimmte Zeit entzogen. Über die mögliche Rückzahlung sollte man sich dann keine Gedanken mehr machen, solange diese nicht durch die Summe von Wachstum und Inflation faktisch entwertet wären. Aufgrund der heutigen Freiheit in internationalen Kapitalbewegungen aber, geht dieses Konzept nicht mehr so einfach auf. Man müsste daher schon die Grenzen für Kapitalverkehr dicht machen bzw. sehr stark reglementieren.


(4) Kurzfristig bis mittelfristig können Sie dagegen auch ohne unmittelbare Vermögensvernichtung hilfreich sein. Dafür spielen die ökonomisch-politischen Folgeeffekte wiederum eine sehr große Rolle. Das Stichwort ist hier natürlich erst einmal „Kapitalflucht“. Sobald das Thema ernsthaft angepackt wird, wäre sicherlich ein gewisse Kapitalflucht von Vermögenden bzw. Vermögensverwalter anzunehmen. Dabei wird wiederum entscheidend sein, Wer, mit Welchen Kapitalwerten die Flucht Wohin(?) antritt.

Und da wird es jetzt kompliziert. Denn wer mit welchen Kapitalwerten wohin flüchten kann oder wird, das hängt von der Ausgestaltung der Randbedingungen entscheidend ab.

Dazu müssen wir nochmal einen Blick auf die Graphik des Gesamtgeschäfts der Finanzinstitute in der BRD werfen. Wie man sieht, ist das Problem das Investmentgeschäft mit einem Volumen von rund 6000 Mrd.€ gegenüber einem Realgeschäft für Kredite an die Wirtschaft und Konsumenten von um die 3000 Mrd.€. Probleme macht natürlich der größere Block, der durch keine Realwerte gedeckt ist. Würde man also dafür sorgen, dass überwiegend genau dieser überflüssige Wasserkopf abgebaut wird, dann hätte man tatsächlich etwas gewonnen: In diesem Bereich der Finanzwirtschaft wäre eine  Kapitalflucht geradezu zu begrüßen. (Tatsächlich haben wir zur Zeit das umgekehrte Problem: Wegen der angeblichen Sicherheit deutscher Anlagen, ziehen wir Auslandskapital geradezu magisch an. Die totale Bilanzsumme hat hier inzwischen die 9000 Mrd. € Marke erreicht, und damit auch in etwa die maximale Belastungsfähigkeit der BRD. Siehe dazu ggf. Seiten 187-190 in MFT.)

Wie wäre das nun zu erreichen? Nun dazu braucht es zwei Dinge. Erstens müsste sich die Vermögensabgabe vor allen Dingen auf Investmentprodukte beziehen, und nicht so sehr auf Cash. Und die zweite Bedingung wäre, dass das ganze Spiel auch nur National (bzw. EU-17-national) gemacht wird, damit das Investmentkapital überhaupt eine Möglichkeit zur Flucht hätte. Der Erfolg wäre dann simplerweise, das ganz andere Ökonomien dann diese Investmentlast schultern dürften. Machen aber alle großen Ökonomien dabei mit, dann bleibt alles beim alten (Was aber in den USA keinesfalls zu „befürchten“ wäre, die Folge wäre mittelfristig ein Rückzug dieser ganzen Schrottpapiere in die USA. Und dafür die Einleitung des Kollaps dort, der mit einiger Verspätung dann allerdings wieder auf Europa zurück schlagen würde. Nun, die Weltökonomie ist eben ein geschlossenes System, und LANGfristig geht nichts ohne Vermögensvernichtung = Schuldenvernichtung.)


Ganz schlecht dagegen ist im allgemeinen eine größere Kapitalflucht aus dem Realgeschäft mit dem BIP. Also Kredite an Unternehmen und Konsumenten. Das muss man möglichst gering halten, sonst bekommt man den gleichen Effekt wie 1929: Obwohl damals die deutsche Wirtschaft florierte, sorgte das Platzen der Investmentblase in den USA dafür, dass die Investoren ihre guten Anlagen in deutsche Realwerte abzogen um mit dem Geld ihre Verluste an Schrottpapieren in den USA auszugleichen. Die Folge war die nächste Finanzkrise in Deutschland, nur 6 Jahre nach der von 1922/23 und damit der Grundstein für den Aufstieg Adolf Hitlers zum Reichskanzler.

Für Hitlers Aufstieg waren die Finanzkrisen der Zwanziger nicht nur die notwendige Voraussetzung, sondern sie waren auch schon in der Begründung seiner Ideologie und Bewegung, und auch seines Judenhasses, von ganz entscheidender Bedeutung. Das muss man immer im Hinterkopf haben. Aber die Analogien gehen noch viel weiter. So schaffte es Hitler ja tatsächlich, sowohl die Finanzkrise als auch die Arbeitslosenkrise der damaligen Zeit effektiv, zumindest kurzfristig, in den Griff zu bekommen. Wie funktionierte das eigentlich?

Der Schlüssel waren sogenannte Mefo-Wechsel. Vorläufer der Mefo-Wechsel waren die Öffa-Wechsel ab 1932, den Mefo-Wechseln folgten ab 1937 dann die Solawechsel der Golddiskontbank. Sogenannte Solawechsel sind Wechsel, bei denen der Aussteller gleichzeitig auch Hauptschuldner des Wechsels ist. Diese Schneeballsysteme funktionieren alle nach dem gleichen Grundprinzip, hier erstmal der Mefo-Wechsel:



Über die Aufgabe der Mefo-Wechsel äußerte sich der Reichsfinanzminister  Graf Schwerin von Krosigk  in einem Brief vom 1. September 1938 an Adolf Hitler : „Seit der Machtuebernahme ist bewusst der Weg beschritten worden, die grossen einmaligen Ausgaben der ersten Arbeitsbeschaffung und der Aufruestung durch Aufnahme von Krediten zu finanzieren. Soweit sich dies nicht durch die normale Inanspruchnahme des Geld- und Kapitalmarktes, d.h. des jaehrlichen Zuwachses an Ersparnissen in Deutschland, ermoeglichen liess, erfolgte die Finanzierung durch Wechsel (Arbeits-und Mefowechsel), die bei der Reichsbank diskontiert werden, also durch Geldschoepfung.“

Um die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen und die damit auch verbundenen Aufrüstungskosten zu decken, wurde also eine Luftikusfirma, eine eigens zu diesem Zweck gegründete Scheinfirma namens Metallurgische Forschungsgesellschaft mbH (MeFo) ins Leben gerufen.Gleichzeitig diente die Mefo dazu, die Finanzierung der Aufrüstungsmaßnahmen „auf Pump“ zu verschleiern. Sie galten nicht als Staatswechsel, sondern als Handelswechsel und mussten im Reichshaushalt und im Reichsschuldbuch nicht ausgewiesen werden. Weil es sich bei den Gesellschaftern der Metallurgischen Forschungsgesellschaft mbH um angesehene Vertreter [nämlich Siemens , Gutehoffnungshütte , Krupp  und Rheinmetall; d.h. Kreditwürdig=Top-Rating AAA] der deutschen Industrie handelte, konnte die Reichsbank die Wechsel zum Zwecke der Refinanzierung  der Metallurgischen Forschungsgesellschaft mbH diskontieren . Die durch das Reichsbankgesetz vorgesehene Begrenzung der Staatsverschuldung [d.h. auch Schuldenbremse und das Fiskalpaket sind nicht neu!] wurde durch die Mefo-Wechsel umgangen.  Die Reichsbank stellte das Personal für die verwaltungsmäßige Abwicklung der Wechselgeschäfte. Alle Unternehmen, die im Auftrag des Staates Aufgaben ausführten, stellten nun Mefo-Wechsel aus. Die Laufzeit der Wechsel betrug anfangs sechs Monate und wurde immer wieder verlängert, so dass die Wechsel letztendlich fünf Jahre im Umlauf waren. Statt auf die Fälligkeit zu warten, konnten die Remittenten den Wechsel diskontieren , also an eine Bank verkaufen. Die zur Refinanzierung der Mefo-GmbH erforderlichen Diskontierungsgeschäfte der Reichsbank waren aber nicht garantiert. Deshalb brauchten die Aussteller der Wechsel eine Sicherheit: Das Reich selbst stand daher für die Erfüllung der Wechselverbindlichkeiten der Mefo-GmbH ein.

Nun das klingt etwas kompliziert, es ist aber nichts anderes als exakt das aktuelle Target2-System. Da hat man es sich sogar noch etwas einfacher gemacht, indem man auf den überflüssigen Wechsel (weil verzinsbar und in Geld wechselbaren) Wechsel  verzichtet und gleich Euros ausstellt.



Auch hier ist der Aussteller wieder gleichzeitig auch Hauptschuldner. Target2-Konten sind inzwischen nichts anderes als Solawechsel und haben für die BRD inzwischen schon die gigantische Summe von rund 730 Mrd. € (Stand: 30. Juni 2012) angenommen. Bis zum Jahresende könnte, wenn es im bisherigen Tempo weitergeht, sogar die Billionenmarke geknackt werden. Da sage mal keiner „Geschichte wiederholt sich nicht“. Die Saat ist die gleiche, die Ernte wird ebenfalls ganz ähnlich ausfallen.

Als Fazit kann man sagen: Vermögensabgaben ja, aber man muss den Fokus auf das Ziel richten, die Verhältnisse von totaler Bilanzsumme und BIP wieder ins Lot zu bringen. Der Glaube es sei ein Allheilmittel ist weit verfehlt. Nur wären Vermögensabgaben vorerst der weitaus bessere Weg, als die aktuellen Austeritätsprogramme. Langfristig geht jedoch nichts an einer unparitätischen Währungsreform vorbei, und zwar in allen großen Währungen. Entscheidend für den Weltfrieden ist es, dass möglichst bald zu begreifen, sonst ist der allgemeine Weltkrieg dieses Jahrhunderts unabwendbar.

Mittwoch, 11. Juli 2012

Hanged, drawn and quartered: Die heiße Kartoffel von Karlsruhe


Hanged, drawn and quartered , „erhängt, ausgeweidet und gevierteilt“, war die in England verhängte Strafe für Hochverrat, insbesondere auch wenn es um Falschmünzerei ging. Verhängt wurde sie für Delikte „jenseits von Mord und Totschlag“.  Im Jahre 1305 erlitt so auch der schottische Nationalheld William Wallace dieses Schicksal. Der Verurteilte wurde auf einem Gatter zum Richtplatz gezerrt (Drawing), am Hals aufgehängt, aber kurz bevor er starb, herunter genommen (hanging). Danach wurde er bei lebendigem Leib ausgeweidet, seine Genitalien abgeschnitten und seine Gedärme aus dem Körper geholt und wurden ihm und der Menge zur Begutachtung gezeigt. Sein Herz wurde danach herausgeschnitten und zusammen mit den Eingeweiden sofort verbrannt. Schließlich wurde er geköpft, und der Torso in vier Teile zerhackt (quartering). Diese Teile wurden zur Abschreckung auf fünf Pfählen öffentlich zur Schau gestellt. 

Schlechte Aussichten waren das für Hochverräter. Allerdings muss man bedenken, dass es in diesen Zeiten meist schon eher die Sadisten in Richterroben und ihre fürstlichen Auftraggeber waren, die unentwegt Hochverrat am eigenen Volke begingen, mehr jedenfalls als ihre Opfer, die „Rädelsführer“ der meist unterlegenen Revolution gegen Ausbeutung und Unterdrückung.


Heute wird Hochverrat in Deutschland nicht ganz so drastisch bestraft: „In der BRD ist der Hochverrat gegen den Bund oder seine Länder unter den Staatsschutzdelikten als Verbrechen geregelt, bei dem der Versuch genauso bestraft wird wie die Vollendung. Auch ist bereits nur die Vorbereitung des Hochverrats so unter Strafe gestellt. Geschütztes Rechtsgut ist der physische und verfassungsmäßige Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer Länder. Dieser umfasst die staatliche Einheit von Bund und Ländern, deren Gebietsintegrität und die völkerrechtliche Souveränität des Bundes: „Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen oder die auf dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland beruhende verfassungsmäßige Ordnung zu ändern, wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren bestraft.“ Der Verfassungshochverrat bezeichnet sämtliche Änderungen und Beseitigungen des Wesensgehaltes der Verfassung wie die freiheitliche Demokratie, den Rechtsstaat und die Grundrechte. Als Tatmittel kommen sowohl Gewalt als auch nur die Drohung mit Gewalt infrage und im Wesentlichen liegt diesem Gewaltbegriff bereits die pure Nötigung zu Grunde. Als Vorbereitung  gilt schon die objektive Förderung des Unternehmens, eine konkrete Gefährdung für den Bund oder das Land muss dabei noch gar nicht eingetreten sein. Wer von einem solchen Vorhaben oder gar der Ausführung eines Hochverrats zu einer Zeit, zu der die Ausführung oder der Erfolg noch abgewendet werden kann, glaubhaft erfährt und es unterlässt, rechtzeitig Anzeige zu machen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren zu Rechenschaft gezogen.“

Nun ja. Wüsste man nicht, dass die zur Zeit mit dem „Finanzmarktermächtigungsgesetz“ ESM und Co. beschäftigten Politiker und Ökonomen aus einem Produkt von weitgehendster Unwissenheit multipliziert mit nackter Verzweiflung handelten (wobei erster Faktor auch für den größeren Teil der Wähler und Mitbürger gilt, während bei diesen allerdings der letztere Faktor vorläufig noch deutlich kleiner ist), man müsste eigentlich die halbe Republik als Ausführende oder Mitwisser hinter Gitter bringen.

Aber gemach, gemach, sie brauchen nicht gleich eine Anzeige aufzusetzen um sich vor Strafverfolgung zu schützen. Solche Anzeigen gegen Politiker wegen Hochverrats laufen öfters bei den zuständigen Stellen auf, und sie würden verständlicherweise nur ein vorformuliertes Antwortschreiben erhalte:„Lieber Hr./Fr. Milchmann/mädchen, vielen Dank für ihr Schreiben. Die Prüfung ihres Schreibens hat keine ausreichende Anhaltspunkte für ein Staatsschutzstraftat ergeben. Insbesondere fehlt der Tatbestand der Gewaltandrohung, die nicht alleine durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU gegeben ist. Bitte belästigen sie uns nicht mit weiteren Eingaben...MfG...etc.pp.“

Und tatsächlich geht die Gewaltandrohung, hier die massive Nötigung, nicht so sehr von Parlamentariern oder der EU-Verwaltung aus, sondern von den gerne Namen- und Adressenlos gehaltenen „Märkten“. Es sind die unzähligen Finanzlobbyisten, Banker, Investmentfondsmanager, Investoren und Hedgefonds, die die Nerven der Politiker und Ökonomen blank gefressen haben und diese massiv nötigen den Grundbestand der sozialen Marktwirtschaft und der freiheitlichen Demokratie sukzessive auszuhöhlen und sie, und besonders die zukünftigen Schaffenden darin, schließlich für den Schuldendienst der „nervösen“ Märkte klar zu machen. Diese per factum zu Hochverrätern werdenden aber sind so wenig bekannt und unangreifbar wie die „Märkte“, keine Wahllisten oder Parteiprogramme existieren, in denen jeder Bürger nachlesen könnte, welchen Bock er da zum Gärtner der Demokratie machen soll.

Allerdings schwant langsam auch so einigen der unfreiwilligen Handlanger, dass da etwas gründlich verkehrt läuft. Nur was genau, dass ist den Wenigsten klar. Und so reicht man die glühend heiße Kartoffel hin- und her und immer weiter. Denn keiner der Entscheidungsträger in der BRD will wirklich mit der Entscheidung pro oder contra ESM und Co. alleine identifiziert werden. Nicht von ungefähr hat Bundespräsident Gauck gesagt „er sei froh das sich Karlsruhe mit der Sache nun beschäftige“

Und das gilt genauso für alle anderen: Die Schwarz-gelbe Regierung ist froh, dass sie ein zweidrittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat brauchte, und somit nachher keiner sagen kann er wäre nicht daran beteiligt gewesen. Aber auch die SPD und Grünen sind einerseits froh, dass sie nicht Regierung in der Situation sind, aber auch viel zu feige und opportunistisch um nicht in Opposition dazu zu gehen. Schließlich würden Sie dann beim folgenden Absturz der lieben „nervösen Märkte“ genüsslich dafür in Verantwortung gezogen, und zwar alleine! Andersherum passiert der Crash zwar genauso, aber dann hängt man wenigstens nicht alleine in der vermeintlichen Schuld. Also ist man auch hier wieder froh, dass da so einige geklagt haben, und die Kartoffel bei Karlsruhe angelangt ist. Die müssen's ja wissen, und Schuld, ja dass sind die dann im Zweifelsfalle, egal wie es ausgeht.

Und auf diesen Persilschein aus Karlsruhe wartet, oder drängt wie Schäuble kürzlich, man allerseits im politischen Berlin nun. Und was in dem Persilschein steht, ist im Grunde genommen auch egal, Hauptsache, man ist aus der Sache der unmittelbaren Verantwortung endlich „raus“. Jetzt wird’s also spannend. Wird das Bundesverfassungsgericht dem Unterfangen entsprechen und definitiv ja oder nein sagen? Oder wird es versuchen die heiße Kartoffel mit einer salomonischen Entscheidung, nicht Fisch, nicht Fleisch, wieder zurück an Gauck und die überforderte Parlamentarier delegieren?

Nun kann man darauf hin ein Wettbüro aufmachen. Was können die Richter machen?

A) Nun sie könnten Ja sagen, geht alles in Ordnung, das passt schon irgendwie mit einer etwas freien Interpretation des GG. Wären da nicht 170 hochkarätige Ökonomen, wenn gleich der Ruf der Ökonomie gründlich ruiniert ist. Und sogar ein klagender MdB der CSU. Aber entscheidender wird sein, das selbst der oberste Bundesbanker in der gerichtlichen Befragung gesagt hat „Mit Größe allein können wir das Problem nicht lösen“. Die Summe seiner Kritik bedeutet, so wie man es jetzt anpackt kommt man zu keiner Besserung. Und damit hat er natürlich absolut recht. Und Gewicht bei den Richtern. Ein uneingeschränktes JA aus Karlsruhe zu ESM und Co. darf man daher wohl eher ausschließen.

B) Das nächste wäre dann ein klares Nein. Aber das ist ganz sicher auszuschließen. Denn damit würden sich die Richter genau in die Position des Alleinverantwortlichen rücken, in genau die Position die sich insgeheim gute Teile des politischen Berlins wünschen: „Sehet, wir waschen unsere Hände in Unschuld. Werfe ein jeder einen Stein (aber bitte nicht in unsere Richtung) wenn er sich denn unschuldig fühle, bitte schön......Amen.“

C) Bleibt wie immer irgendeine salomonische Entscheidung. Man wird den Vorgang, und damit den schwarzen Peter,  also irgendwie auf Wiedervorlage legen. Dafür gibt es aber wiederum ein ganze Reihe von Möglichkeiten, nur so zum Beispiel:

1) ja zu den Verträgen, aber nur mit einer Kündigungsmöglichkeit für die BRD, wenn's nicht funktioniert.
2) Neuabstimmung der beanstandeten Gesetze, nun aber in freier und geheimer(!) Wahl und ohne Fraktionszwang. In das in beiden Kammern mit einer jeweils notwendigen 2/3-Mehrheit.
3) Erst eine Volksabstimmung zur deutschen Selbstaufgabe durch den Bürger
4) Neuwahl des Bundestages mit einer impliziten oder expliziten Volksabstimmung zu den EU-Verträgen verbunden
5) na denn, „uns“ wird schon noch was anderes einfallen, nur nicht im Moment...also schaunmermal.

Ich würde mal fünf Euro auf die Position 1 in Verbindung mit. 5 setzen. Denn noch nie hat das Bundesverfassungsgericht den Mut aufgebracht, die Berliner EU-Politik frontal zu stoppen. Mit einem, vermutlich rechtlich sehr schwachen, Kündigungsvorbehalt lässt sich die heiße Kartoffel am Schmerz freiesten zurück reichen. Wobei auch das schon „starker Tobak“ für die Finanzlobby wäre. Denn wenn die hauptsächlichen Zahlländer sich nicht als faktisch rechtlose Melkkuh unterwerfen, wird das nötigende „Vertrauen“ der „Märkte“ möglicherweise ja nachhaltig geschädigt werden. Daher wird man vermutlich auch diese einfache Kondition bis zur Marginalie entschärfen.


Der Aachener Ableger der Globalisierungskritischen Organsation Attac, der auch z.B. der Partei übergreifend hoch respektierte Heiner Geissler (CDU) angehört, hatte kürzlich eine Postkartenaktion gestartet, die den ESM und Fiskalpakt direkt in Beziehung setzte zum Ermächtigungsgesetz im Sinne Adolf Hitlers, so der SPIEGEL: „Mit dem Ermächtigungsgesetz schuf Adolf  Hitler 1933 die rechtliche Grundlage für seine Diktatur. An Parlament und Verfassung vorbei konnte seine Regierung dadurch Gesetze und Verordnungen erlassen, Parteien verbieten und deren Repräsentanten verfolgen. Jegliche demokratische Kontrolle war durch das Ermächtigungsgesetz ausgehebelt. Auf der Vorderseite der Attac-Postkarte aus Aachen ist ein Bild des Reichstags abgebildet, mit der Überschrift "ESM & Fiskalpakt" - darunter ist zu lesen "Ermächtigungsgesetz 2.0". Auf der Rückseite konnten die Parlamentarier folgenden Text lesen: "Mit der Faust der Nazis im Nacken stimmten die Abgeordneten des Reichstags 1933 (außer KPD und SPD) dem 'Ermächtigungsgesetz' zu, mit dem sie ihre Kontrollrechte aufgaben. Keine Entschuldigung haben heute die Abgeordneten, die im Reichstag für den ESM stimmen und einem nicht gewählten und nicht rechenschaftspflichtigen Direktorium unbegrenzte finanzielle Macht überlassen. Wir werden das Abstimmungs-Verhalten jedes einzelnen Abgeordneten veröffentlichen und Sie bei jeder Gelegenheit daran erinnern."“

Die Reaktionen kamen natürlich so prompt wie reflexartig: „Die Postkarte sei "ungeheuerlich" und zeuge "von erschreckender Geschichtsvergessenheit", schimpft Grünen-Chefin Claudia Roth. "...diese Form der Relativierung und Geschichtsklitterung überschreitet ein Maß, das nicht hinnehmbar ist." Sven Giegold,...heute Grünen-Europaabgeordneter, spricht von einer "unsäglichen Aktion"...In der SPD herrscht ebenfalls Unmut über die Aktion. "Ein bisschen Geschichtsunterricht würde manchmal gut tun", sagt der Chef der Jungsozialisten, Sascha Vogt. "Ich finde es unglaublich, einen ohnehin immer unpassenden historischen Vergleich auf diese komplexe Thematik zu übertragen." ...“

Nun, dem Geschichtsunterricht sollte man einmal nachhelfen: Es fängt schon mit der obigen SPIEGEL-Zeile an: „Mit dem Ermächtigungsgesetz schuf Adolf Hitler 1933 die rechtliche Grundlage für seine Diktatur...“. Wie bitte, liebe Spiegel-Redaktion, geht’s sonst noch gut? Es waren doch die demokratischen Parteien, die das Gesetz einbrachten und in kollektiver Selbstaufgabe verabschiedeten! Natürlich waren Hitler und seine Kumpane im Hintergrund aktiv, ohne Zweifel. Genauso wie heute die Finanzlobby, aber das Er „schuf“, davon kann ja genauso wenig die Rede sein, wie heute einer sagen würde, die Finanzlobby hätte das ESM und Co. „geschaffen“. Oder würdet ihr das doch auch sagen liebe Spiegler? Nun, so was nennt man Geschichtsklitterung, oder auch das herum reichen heißer Kartoffeln, wenn man im Bild bleiben will.

Wer das Ermächtigungsgesetz von 1933 nachlesen möchte kann das hier tun, man ist überrascht wie wenig darin steht und wie scheinbar harmlos es daher kommt. Im Artikel 1 des sehr kurzen Gesetzes wird schon alles Wesentliche gesagt: „Art. 1. Reichsgesetze können außer in dem in der Reichsverfassung vorgesehenen Verfahren auch durch die Reichsregierung beschlossen werden. Dies gilt auch für die in den Artikeln 85 Abs. 2 und 87 der Reichsverfassung bezeichneten Gesetze.“. Der Rest ist noch ein bisschen Gummi und Balsam, so etwa „..können von der Reichsverfassung abweichen, sofern sie nicht die Einrichtung des Reichtages oder Reichrates zum Gegenstand haben.“. Man war also in großer Sorge um die eigenen Posten, die obwohl zum belanglosen Debattierclub degradiert, garantiert sein mussten.

Übrigens, was waren denn die im Art. 1 besonders hervorgehobenen Artikeln 85 Abs. 2 und 87 der Reichsverfassung gewesen? Na ahnen Sie es schon, ja, genau, es war das Haushaltsrecht des Parlaments. Bon. Keine Politik ohne Geld, ohne Politik kein Geld, so ist das nun mal. Irgendwelche Ähnlichkeiten zum ESM erkennbar? Nicht doch. Im letzten Artikel 5 wurde damals aber immerhin noch eine automatische Kündigung eingebaut: „...Es tritt mit dem 1. April 1937 außer Kraft;“. Und, tat es das? Irgendeine Erinnerung an die Zeit? Nein, tat es natürlich nicht, schließlich hatte man den Bock zum Gärtner gemacht. 

Was also hatte man erwartet? Wahrscheinlich ähnliches wie die SPD heute wieder: „...Der SPD-Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach wirft den Globalisierungskritikern [Attac] vor, die Wirkung des Fiskalpakts grundsätzlich falsch einzuschätzen...."Der Sparvertrag und die Schuldenbremse werden dazu führen, dass in Europa ein gerechteres Steuersystem nicht mehr vermieden werden kann", lautet sein Fazit.“. Hallo Hr. Lauterbach, sie können wirklich lustig sein. Der ESM hat die Freiheit und absolute Immunität, so dass der Gouverneursrat jederzeit beliebig in den Finanztopf des kleinen Mannes greifen kann, ohne Einschaltung der nationalen Parlamente. Da glauben sie jetzt wirklich, dass die im Zweifelsfall einer wirklich massiven Vermögenssteuer das Wort reden werden? Willkommen in der Vergangenheit...

Der Aachener Initiator der Kampagne, Klaus-Peter Schleisiek, äußerte sich so zu seiner Kampagne: „...Er habe ja nicht die Bundestagsabgeordneten in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt, sondern - wenn überhaupt - die Instrumente der Euro-Rettung. "Wie viel Macht da für immer an undemokratische Organisationen abgegeben wird, das hat mich aus dem Häuschen gebracht", sagt er.“. Seine Dachorganisation dagegen hat ganz schnell wieder alles ins „rechte“ Licht zurück gerückt: „...Der bundesweite Koordinierungskreis von Attac hat in einem Brief an die Mitglieder des Bundestags klargestellt, dass Attac Deutschland eine Gleichsetzung von Fiskalpakt und ESM mit dem Ermächtigungsgesetz von 1933 entschieden ablehnt...“

Dann geht es aber doch noch weiter zur gerechten Attac-Sache: „Gleichzeitig ist eine grundsätzliche und scharfe inhaltliche Kritik an Fiskalpakt und ESM, ... weiterhin notwendig....Mit Fiskalpakt und ESM wird eine fatale, die Krise und die soziale Spaltung Europas weiter verschärfende Austeritätspolitik institutionell verstetigt. Die "Eurokrise" ist aber nicht durch permanente Kürzungspolitik gegenüber den öffentlichen Haushalten zu beseitigen. Attac setzt sich deshalb dafür ein, Vermögen wirkungsvoll umzuverteilen, die Finanzmärkte zu schrumpfen, Schulden zu streichen und Demokratie weiter zu entwickeln....Die aktuelle Krisenpolitik sowie die Politik der Bundestagsmehrheit mit Fiskalpakt und ESM, die zugunsten der Finanzmärkte wirken, führt zu einer Verrohung des gesellschaftlichen Klimas in Europa. ...“

Wie diese Verrohung u.a. wirkt, auch in Bezug auf „Kündigungsrechte“ wie im Art.5 von 1933, dass zeigt auch die Unberechenbarkeit politischer Umwälzungen in Zukunft durch die heutig beschließenden Parlamentarier. Denn es hängt an ganz anderen Böcken, die selbst scheinbar wirksame Rückzugsrechte schnell ad absurdum führen können. Schauen wir dazu gerade einmal nach Spanien und Italien. Vorgesehen sind jeweils rund 20 Milliarden Euro jährlich im Staatshaushalt. Wie längst Kenner der Austeritätsmaterie aber längst wissen, bedeutet das rund 400.000 neue Arbeitslose jeweils dort. Lieber Hr. Lauterbach und Freunde, glauben Sie wirklich, dass das den Italienern auf der Straße einfach am A.... vorbei geht? Da steht schon längst wieder der Mafiosi vom Dienst in den Startlöchern: “...Italiens früherer Ministerpräsident Silvio Berlusconi strebt einem Zeitungsbericht zufolge eine Rückkehr an die Spitze der Regierung an. "Die Entscheidung ist gefallen: Berlusconi wird für den Posten des Regierungschefs kandidieren", schrieb die Zeitung "Il Corriere della Sera" am Mittwoch. ...Der Vorsitzende der PDL, der frühere Justizminister Angelino Alfano, bestätigte den Bericht teilweise. Es gebe eine "große Welle der Unterstützung" für eine neue Kandidatur Berlusconis. "Viele bitten ihn, es zu tun, und ich gehöre zu ihnen", sagte Alfano. "Ich denke, letztlich wird er sich für eine Rückkehr entscheiden." ...Würde Berlusconi selbst antreten, würde die Partei bis zu 30 Prozent gewinnen können, schreibt die Zeitung unter Berufung auf Umfragen....Bei den Wahlen im April 2013 wird Berlusconi, gegen den mehrere Gerichtsverfahren laufen, 76 Jahre alt sein...“

Und es wird nicht nur bei einem solchen Lumpen bleiben. Auf der politischen Bühne Europas werden sich in den kommenden Jahren noch die komischsten Knallchargen und Ganovendarsteller ein breites Podium verschaffen. Und erst Recht im Gouverneursrat und Direktorium des ESM, wo neben fürstlich steuerfreien Gehältern und Boni, wahlweise das Stück „Was ihr wollt“ und „Ali Baba und die 68 Räuber“ gespielt wird. Das bekannte Drama um den Hochverrat der „Maria Stuart“ dagegen soll, soweit bisher der Spielplan bekannt ist, nicht auf dem Programm stehen. Nicht offiziell jedenfalls.

Ach, übrigens: „Hanged, drawn, and quartered“  wurde erst 1870 aus der englischen Rechtsprechung entfernt. Puh, was für ein Glück.